Kommentar zur Corona-Krise: Mother of all Moral Hazard
Kommentar zur Corona-Krise: Mother of all Moral Hazard
Politik und Gesellschaft haben in den letzten 50 Jahren mit einer Kombination aus Kontroll-Illusion und dem «Ideal der komfortablen Stallfütterung» (Wilhelm Röpke) die systemische «Mutter aller Moral Hazard-Situationen» geschaffen. In einem übersteigerten Machbarkeitsglauben fühlten sich staatliche Institutionen dazu bemüssigt, durch prozyklische Fiskalpolitik oder experimentelle Geldpolitik sämtliche Unbill von den Bürgern fernzuhalten. Das unnötige Aufrechterhalten der staatlichen Markteingriffe hat als «Moral Hazard trade» starke Fehlanreize und damit auch zu einer Vermögenspreisinflation geführt. Die Folge war schon vor dem Ausbruch der Corona-Krise ein fragiles Wirtschaftssystem, in welchem Gewinne privatisiert und Verluste dem Gemeinwesen aufgebürdet werden.
In der grassierenden Corona-Krise hat der Staat bislang auch als Versicherer agiert. Das ist grundsätzlich zu befürworten, weil es vernünftig ist, die Wirtschaft als Basis des Gemeinwesens nach einem staatlich auferlegten «Druckabfall» soweit wie möglich am Leben zu erhalten.
In der Ökonomie gibt es das Prinzip des Moral Hazard. Es kommt ursprünglich aus der Versicherungsbranche und beschreibt das Phänomen, dass Individuen sich nach Abschluss einer Versicherung riskanter verhalten, weil sie für den Schaden nur begrenzt einstehen müssen. Das Problem und die Fehlanreize akzentuieren sich noch, wenn vom Staat natürliche oder juristische Personen gerettet («bail out») werden, ohne dass diese eine Versicherungsprämie bezahlt oder selber vorgesorgt haben. Ein solches System ist nicht nachhaltig und sozial amoralisch.
Mit der Corona-Krise kommt die Chance auf ein Revival der bürgerlichen Tugenden. Der Politik fällt die wichtige Aufgabe zu, den Bürgern aufzuzeigen, dass Werte wie Eigenverantwortung, Unternehmertum, Subsidiarität, Gemeinsinn und gesunde Staatsfinanzen eine Gesellschaft stark und widerstandsfähig machen. Das Funktionieren der öffentlichen Institutionen ist kein Naturgesetz, weshalb es umso wichtiger ist, dass eine Gesellschaft kleinteilig und selbstorganisiert ausgestaltet ist. Die Stärkung der bürgerlichen Tugenden führt auch zu einer Stärkung des marktwirtschaftlichen Systems, welches im Stande ist, Krisen zu bewältigen.
In modernen Gesellschaften müssen die Rollen beim Streben nach Glück klar verteilt sein. Je weiter oben sich die Bedürfnisse der Individuen auf der Maslow-Pyramide in Richtung «Selbstverwirklichung» bewegen, desto weniger sind sie ein Problem des Gemeinwesens. Zudem dürfen systemische Probleme durch die öffentliche Hand nicht einfach von Krise zu Krise mit noch mehr Schulden in die Zukunft verschoben werden. Moral Hazard muss mit Moral Chance ersetzt werden! Das magische Wort hierbei lautet: Verantwortung. Alle Wirtschafssubjekte müssen für ihr Handeln und ihre Existenz wieder mehr Verantwortung übernehmen und der Staat muss sich als Versicherer auf die demokratisch legitimierten Funktionen zurückziehen (z.B. Arbeitslosenversicherung, Sozialversicherungen). Private halten sich an bewährte Rezepte wie die individuelle Vorsorge nach dem Prinzip «Spare in der Zeit, so hast du in der Not» oder den Abschluss von individuellen Versicherungen.
Es wäre an der Zeit, das Verhältnis zwischen Bürger und Staat muss mit dem Ziel von widerstandsfähigeren Strukturen in einem positiven Diskurs zu klären. Gelingt dies, haben wir eine enorme «Moral Chance.» Falls nicht, droht unsere Gesellschaft vom systemischen Moral Hazard zerfressen zu werden.